Der erste Abstecher galt in Waterton dem Prince of Wales Hotel
bzw. dessen Waschküche, hier erlebte ich 1995 mit den beiden mich
damals begleitenden Damen Henrike und Anja ein ausgesprochen lustiges
Fest der überwiegend studentischen Belegschaft des Hotels die ob
der ausländischen Gäste sehr erfreut waren. Doch diesmal war dort
nichts los, alles war dunkel und wir machten uns auf den Weg zum
Campground der mitten im Ort direkt am See liegt und fast halb so
gross wie der Ort selbst ist. Wie immer stürmte es hier. Es hatte
Windböen die den ganzen Camper erzittern liessen. 300 Tage im Jahr
Wind von mehr als 5 Bft. Des Surfers Traum. Aber das Wasser des
Sees hat wohl auch nur 5°C. Das Wetter war so ungemütlich, dass
wir uns nicht wirklich zu einer grösseren Wanderung durchringen
konnten (wir waren onhehin zu spät aufgestanden). Nur zum leichten
20 Minuten Spaziergang auf den Bear Hump (Beim Visitor Center, 20
Minuten einfach, 220Hm, 1,2km) reichte es, von dem man einen schönen
Blick auf den See und das Dorf hat - allerdings musste man aufpassen,
dass man nicht runtergeplasen wurde. Schwieriger war da schon die
Suche nach einem geöffneten Café. Wir wurden nicht zufriedenstellend
fündig und machten kurzerhand unsere Eigenes mit Seeblick auf.
Frisch gestärkt ging es danach weiter nördlich Richtung Crowsnest
Pass. Von dort geht die Forest Trunk Road, eine Forststrasse die
den gesamten Rockies an der Ostflanke nach Norden folgt, ab. Diese
wollten wir ihres besonderen Reizes wegen befahren. Allerdings gab
es einen Wermutstropfen: die, wie sich später herausstellte unkundige,
Rangerin in Waterton meinte, dass der sehr reizvolle Highway 40
im Anschluss an diese Road geschlossen sei. Vor uns lagen also 120km
ungewisse Dirtroad und die Sorge, dass es jederzeit losschneien
könnte. Nun gut - wir sind ja doch teilweise auch auf der Suche
nach Abenteuern.
Die Forest Trunk Road - vor Ort eher als Kanaskis Road bekannt
- stellte sich als teiwlweise gefährlich stark waschbrettige Forestroad
durch hügeligen Wald heraus. Nicht so besonders reizvoll. Der Reiz
lag eher in der relativen Abgeschiedenheit und dem Bangen wann der
Camper auseinanderfällt. Naja ganz so schlimm wars auch nicht, aber
wenn das Fahrzeug mit der Resonanzfrequenz angeregt wird, wird das
Fahrverhalten eigenwillig. Es wurde langsam dunkel. Rechtzeitig
vor der Finsternis erreichten wir den Dutch Creek Campground (schöner
provincial Ground im Wald am Creek, 15 Can$).
Am nächsten Vormittag fischten wir ein paar erfolglose Würfe im
Oldman River. Das absolute Gegenteil der Bighornfischerei - zurück
in der Realität! Ohne Fisch zogen wir weiter auf dem Waschblech.
In Anbetracht der Information die wir hatten, dass der HW40 -
also der präferierte und direkte Weg nach Jasper - gesperrt sein
sollten, wollten wir bei Kilometer 80 nach Osten auf den HW22 abbiegen.
Nach ein paar Kilometern kamen wir auf einem Pass an von dem wir
einen kalten und windigen Blick in die Ebene nach Osten hatten.
Gerade als wir wieder fahren wollten kam ein Outfitter mit seinem
Tieranhänger die Passstrasse aus der anderen Richtung hoch und stieg
aus um auf einen Freund zu warten. Ich kam kurz mit ihm ins Gespräch
und dabei stellte sich heraus, dass der HW40 immer bis Mitte Dezember
offen ist. Die Freude war gross! Wir fuhren also den gekommenen
Weg wieder zurück um die Forest Trunk Road weiter bis zur Junction
mit dem HW40 zu fahren. Langsam wurde dieser Weg reizvoller, der
Wald lichtete sich und man konnte etwas von den Bergen und der Landschaft
sehen. Die Luft allerdings roch nach Schnee. Es dauerte auch keine
Viertelstunde und die ersten Schneeflocken fielen. Und wie eine
Erscheinung kam uns kaum Später ein schwer bepackter Mountainbikefahrer
entgegen. Ich rief ihm meine Hochachtung zu und konnte gerade noch
hinten auf seinem Gepäck das Gitzo Carbonstativ erkennen. Scheinbar
legt auch er Wert auf gute Fotos. Ich kann ihn gut verstehen und
denke dabei im Stillen an meine zahlreichen Fotostops, die damit
verbundenen Objektiv- und Filmwechsel und die "halt zurück ich brauche
doch das Weitwinkel" bzw. "Mist wir haben ja noch die Digicam" während
dieser Reise und Ines Geduld dabei.
Der Schnee nahm zum Glück nicht zu. Wir erreichten wohlbehalten
und ohne Rutschen den HW40. Dieser wurde seinem Ruf gerecht. Wunderbare
Berglandschaften, noch verfärbte Aspen und die Berge schon im Schnee.
Und dazu kaum Verkehr. Unbedingt empfehlenswert! (In der wärmeren
Jahreszeit ist hier angeblich mit dem Peter Lougheed Provincial
Park ein besonders schöner Park am Wegesrand. Ab Ende September
ist hier aber wohl alles zu.). Das Wetter tat das Übrige und lies
die Sonne immer wieder zwischen den Wolken hervorkommen. Kalt und
windig war es allerdings. Aber bei diesem Sightseeing-Tourismus
durch die Windschutzscheibe stört das nicht.
In der Dämmerung erreichten wir Banff und bezogen den wenig reizvollen
Mountain View Campground oberhalb der Stadt (alle anderen haben
ab Oktober zu). Die besondere Attraktion des Abends sollten die
Banff Hotsprings sein. Enttäuschend. Ein kleiner Badekomplex, eingerichtet
zur Abfertigung der Touristenmassen - die dann auch in Form einer
Kohorte Japaner kamen, offensichtlich gechlortes Wasser in einer
Art Swimmingpool. Absolut nicht empfehlenswert. Mit dem Gefühl,
dass das nicht gesund sein kann und nach Chlor stinkend kehrten
wir diesem Ort den Rücken.
Der Nächste Tag begann mit Saukälte und Sonne. Und mit was Alkoholischem
wärmt man sich auf? Schnaps! Konkreter Single Malt. Nach Jahren
der Abstinenz (Veruscka und Tom kennen den Grund) verspürte ich
wieder Lust. Wir suchten uns einen Liquor Store (Alkohol wird in
Canada fast so Verkauft wie in Schweden) und erstanden ohne genauerer
Betrachtung des Preises eine Flasche Lagavulin. Kenner wissen was
gemeint ist.
Eigentlich stand im Reiselogbuch, dass man in Banff das Mountainbike
bewegen könnte. Aber das Wetter ermutigte nicht dazu. Die Temperatur
knap über dem Gefrierpunkt, bedeckter Himmel und Schnee in der Luft.
Eigentlich ja nicht bemerkenswert, aber wenn man wochenlang nicht
gefahren ist, wäre das ein sehr harter Einstieg. Andererseits brauchte
ich aber dringend Bewegung - der Rücken schrie förmlich danach.
Eine Route war schnell gefunden. Der Trail am Redearth Creek und
weiter zum Shadow Lake schien ideal. Ines wollte mir wohl die Freude
des alleine Austobens lassen und beschloss gleichen Weg per Pedes
zu begehen. Wir vereinbarten nach zwei Stunden wieder am Camper
zu sein. Ich setzte mich auf mein Rad und trat an. Schon bald tat
die ungewohnte Höhe in der Lunge ihr Übriges. Der Weg zog sich langsam
steigend kurvig durch den Bergwald. Hinter jeder Kurve konnte ein
Grizzly sitzen. Das war auch der Grund für meine schwachsinnigen
und mehr als lauten Selbstgespräche und der wiederholte Kontrollgriff
in die Trikottasche zum Peperspray. Nach ca. 40 Minuten hatte ich
die Gabelung zum letzten Teil meines geplanten Weges erreicht. Radeln
verboten. Was soll denn das? Naja Rad auf die Schulter ist nicht
radeln und anders käme man diesen Weg eh nicht weiter. Ich wollte
noch 20 Minuten weitergehen um dann in der Zeit umzukehren. Leichtes
Schneetreiben setzte ein und der Weg der mittlerweile eher ein Pfad
war war weiss eingepudert aber zum Glück teilweise wieder fahrbar.
Die letzten Spuren die man sah waren zwar nicht vom Vortag aber
die Einsamkeit hier in der Offseason war offenkundig. Aufpassen,
dass man nicht über den Lenker einem Bigwooly in die Arme fällt...
Ich erreichte schliesslich die im Sommer bewirtschaftete Lodge ca.
1 km vor dem gesteckten Ziel des Sees. Es war leider Zeit umzukehren.
Der Rückweg ging deutlich schneller. Fast schneller als Bären laufen
können. Beinahe wurde noch ein Schneehuhn überfahren, dessen Tarntaktik
bewegungsloses Verharren auf dem Weg war. Bei Radverkehr ist das
wohl die falsche Taktik.
Nach einem wärmenden Cappuchino ging es weiter. Langsam setzte
auch hier im Tal das Schneetreiben ein. Hinter Lake Louise stellten
wir uns auf den Mosquito Creek Campground. Mit der Hoffnung im Fall
von Schneefällen hier wieder irgendwie rauszukommen schliefen wir
ein.
Tatsächlich, es hatte geschneit. Am nächsten Morgen hatte es zwar
nur knapp 10cm Neuschnee, auf der Strasse hätte das aber Chaos bedeutet.
Schon das Rangierrutschen am Vorabend hatte eindrücklich das Fahrverhalten
der Kutsche bei Schnee gezeigt - Ohje! Die Strasse war zum Glück
frei. Es war ein wunderschöner Frühwintertag mit Wolken, Sonne und
einem halben Sturm am glitzernden Bow Lake. Weiter ging es über
Bow Summit zum Peyto Lake. Einem türkis milchigen, von einem Gletscher
gespeisten See - das Fotomotiv. Allerdings spielte das mässiger
werdenden Wetter nicht ganz mit. Weiter über den Sunwapta Pass zum
Columbia Icefield bzw. dem von der Strasse aus zugänglichen Athabasca
Gletscher. Der Gletscher zieht sich wie die meisten seiner Art in
immer schnellerer Geschwindigkeit zurück und schrumpft und schrumpft.
Kurzer Ausflug zur Zungenspitze des Gletschers - das Lokalklima
war wie in einem Tiefkühllagerhaus. Weiter auf dem Banff-Jasper-Schnelldurchgang:
Ein kleiner Höhepunkt. Vor uns sahen wir einige Autos an der Strasse
stehen und das bedeutet hier immer Tiere. In diesem Fall ein keine
15 Meter entfernter Grizzly der sich gerade wieder in die Büsche
verzog. Offensichtlich hatte er kurz zuvor die Strasse überquert.
Für Digicamfotos reichte die Zeit nicht. Allerdings sollte er auf
den Dias dank Teleobjektiv formatfüllend zu sehen sein. Da war er
also unser Petzi. Aus (vermeintlich?) sicherer Distanz im Auto mit
dem Fuss auf dem Gaspedal die wohl sicherste Art diese Tiere zu
erleben.
Über die Athabasca Falls mit ihrem türkisfarbenen Wasser ging es
die letzten Kilometer nach Jasper. Dort Waipiti Campground (etwas
eng, Dumping in der Nähe, 15$).
Jasper hat eigentlich ausser den Bergen bei schönem Wetter wenig
zu bieten. Bei uns regnete es vor sich hin, war windig und kalt.
Schade nix mit radeln. Wir zogen etwas durch die "Stadt" stiessen
hier auf einen Aushang an der Rangerstation, dass im fast 200km
entfernten Redearth Creek Tal ein "aggressive Grizzly" unterwegs
sei (siehe oben) und wir stiessen auf die Information, das im nahen
(25km östlich) Talbot Lake gute Hechtfischerei zu erwarten sei.
Dort hin machten wir uns dann auf den Weg.
Aktueller Einschub:
Wir sitzen gerade in Jasper in einem Café nachdem wir kurzfristig
beschlossen haben hier heute nachmittag in einem See mit den Bellyboats
auf Hecht zu fischen. Auf der Karte stand Cappuccino. Ich freute
mich und bestellte einen - was gar nicht so leicht war, weil der
pubertierenden Kellner wohl nicht davon ausging, dass wir wirklich
hier seien, um etwas zu bestellen. Kurzum, ich bekam meinen Cappuccino.
Was sich mir da allerdings darbot konnte ich erst nach dem dritten
Schlückchen glauben. Das war kein Cappu, es ging los, das oben Zimt
drauf war (Die Nordamerikaner parfümieren wohl auch die Autoreifen
mit Zimt), halb so schlimm - runter damit. Aber dann der kaum zu
glaubende Geschmack. Bääääääää! Ich war mit nicht sicher ob es Spülwasser
mit weissbrauner Farbe war oder der Rest von altem Kaffee mit Wasser
aufgegossen. Ines meinte, es wäre wie das Spülwasser einer Espressomaschine.
Ich lies ihn stehen. Der zweite Versuch entsprach Ines Wahl. Flavoured
Cappuccino mit French Vanilla. Man sollte sich nicht täuschen lassen,
ich wusste, dass dies nichts mit Cappuccino zu tun haben würde aber
es schmeckte besser - allerdings so süss, dass es einem die Zähne
an der Zunge festklebt. Kaum konnte ich den - allerdings recht gut
schmeckenden - Kuchen dazwischen durchschieben. Um diese Süsse wegzubekommen
der zweite so eben überlebte Versuch: ein doppelter Espresso. Naja,
was da kam kommt besser aus unserem schicken italienischen Espressokocher
im Camper. Es war etwas Dunkles, Bitteres, frei von jeglicher Crema
- also viel Zucker rein - aber der war braun! Also den Weissen um
das Bittere etwas zu lindern. Und dann runter damit. Aber jetzt
hatte ich diese Süsse immer noch im Mund! Verdammt! Und Bier bekommt
man in diesem, bezüglich des Alkohols ähnlich wie Schweden reglementierten
Land nicht einfach in einem Café bestellen. Es wird Zeit, dass wir
an den See zum Hechtfischen fahren bevor ich noch versüsse.
Belly Boaten bei starkem Wind ist witzig. Der See war allerdings
nirgends tiefer als 1,5 Meter, super klar und an unserem Ufer der
Wind auflandig. Sonst hätte das ganze lange Rückmärsche um den See
bedeutet. Gegen Strömung oder Wind anzupaddeln ist mit unseren Boats
kaum möglich. Dafür sind sie aber auch nicht gedacht. Der See sah
eigentlich ideal für Hechte aus: Flach und Schilf. Aber ausser einem
35cm Kinderhecht konnte ich nichts auf die Streamer fangen. Ines
blieb wie schon in Schweden ohne Hecht - soll wohl noch dauern ;
). Achja ich zerbrach meine Winston XTR Rute die sich, wie sich
langsam herausstellt, ständig beim Werfen lockert. Zum Glück brach
nur ein guter Zentimeter vom mittleren Teil ab, so dass ich weiterfischen
konnte.
Mein Geburtstag nahte. Kurz vor Mitternacht wurde der Kuchen fertig.
Besser die Kuchen: zwei Grosse und drei kleine Apfelkuchen mit Äpfeln
vom Bighorn. Wir feierten eher unspektakulär und stiessen auf mein
neues Lebensjahr mit Lagavulin an. An diesem Tag die anstehenden
750km bis Smithers zu fahren erschien wenig verlockend. Wir beschlossen,
das recht schöne Wetter für einen weiteren Tag auf dem Talbot Lake
zu nutzen. Ich hatte das gute Gefühl einen Geburtstagshecht zu fangen.
Das Gefühl trog. Ich blieb Schneider. Komisch - wo waren in diesem
See die Fische??? Abends machte Ines eine super gute Lasagne von
der wir noch einen weiteren Tag zährten. Das war also mein 27er
Geburtstag in Jasper. Frei jeglicher handschriftlichen Post und
frei jeglicher physischer Geschenke im eigentlichen Sinne. Etwas
schade, war aber scheinbar nicht möglich...
Und das waren die Canadien Rockies die im Sommer sicher zahlreiche
Reize zu bieten haben, im Spätherbst aber etwas unwirtlich erscheinen.
Vielleicht locken sie mal wieder in der Zukunft.
|